Unsere Kernthesen fürs Personalwesen.

Auf was es dieses Jahr für HR-Manager*innen ankommt.

Alle reden über den Fachkräftemangel, doch gleichzeitig laufen in fast allen Unternehmen große Restrukturierungen. Denn die deutsche Wirtschaft verliert international an Wettbewerbsfähigkeit. Für uns Personaler*innen entsteht so eine paradoxe Situation: Wir müssen die Balance zwischen aktueller Wettbewerbs- und nach vorne gerichteter Zukunftsfähigkeit neu kalibrieren, also Personalstrukturen umbauen und gleichzeitig für neue Talente attraktiv bleiben. Was wie die Quadratur des Kreises klingt, ist am Ende die von uns schon gut eingeübte Ambidextrie: das Nebeneinander von Auf-, Ab- und Umbau.

Und dann kam ChatGPT. Als Bundesverband der Personalmanager*innen haben wir nie daran gezweifelt, dass KI eine erhebliche Relevanz für HR hat. Gut, dass wir uns schon früh im KI-Ethikbeirat engagiert haben. Mit und im Beirat werben wir für durchdachte Einführungsszenarien von Künstlicher Intelligenz in der Personalarbeit, um so die Akzeptanz und die Wirksamkeit zu steigern. Diese Arbeit muss fortgesetzt und in der täglichen Praxis mit neuen Tools, Anwendungen und Organisationsdesigns unterlegt werden. Dazu gehört auch eine große Qualifizierungsoffensive unter den Personaler*innen. Denn unsere Profession ist noch längst nicht so datenaffin, wie es die neuen Möglichkeiten erfordern.

Lange war Agilität außerhalb der IT-Branche vor allem ein Buzz-Word. Nun überformen agile Strukturen mehr und mehr die klassischen Aufbauorganisationen. Folgt nun eine Hochzeit im Himmel oder ist der große Katzenjammer vorprogrammiert? Fakt ist: HR muss sich angesichts immer stärker ausgeprägter Matrix-Organisationen deutlich intensiver in die Ausgestaltung zukunftsweisender Unternehmensstrukturen einbringen. Organisationsentwicklung ist nicht nur Sache der „Orga“. Sie ist ganz zentral auch ein People Business, welches über das Schreiben von Organigrammen und die Festlegung von Führungsspannen weit hinausgeht. Personaler*innen müssen zum Motor der Erneuerung werden und sich anwaltschaftlich für eine Arbeitswelt einsetzen. Eine Arbeitswelt, in der das leistungsfördernde Empowerment der Mitarbeitenden im Zentrum steht.

In der betrieblichen Weiterbildung hat in den letzten Jahren eine kleine Revolution stattgefunden: vom lange zuvor geplanten Präsenzseminar im Bildungshaus zum digital basierten 24/7-Echtzeitlernen mit hoch individualisierten Angeboten. Als Personalmanager*innen fragen wir uns aber, ob der Ausbau neuer Bildungsangebote mit dem Tempo des Wandels mithält. Wir sehen die Unternehmen und Organisationen in der Verantwortung, zeitgemäße Lernformen und -inhalte zu implementieren. Doch dies ist nur die eine Seite der Medaille: Es ist uns ebenso ein Anliegen, das Prinzip der Eigenverantwortung jedes Mitarbeitenden für seine oder ihre lebenslange Beschäftigungsfähigkeit weiter zu fördern. Das heißt für uns auch: Bereitschaft, sich auch außerhalb der Arbeitszeit weiterzubilden und die eigene Bildungsbiografie fortzuschreiben.

Die ganze Welt redet über De-Globalisierung und De-Coupling. Doch Europa wächst weiter unbeirrbar zusammen, was wir als Bundesverband der Personalmanager*innen (BPM) begrüßen. Angesichts eines zunehmend internationalisierten Fachkräftepools wünschen wir uns als BPM einen echten binneneuropäischen Arbeitsmarkt. Aktuell wird die Freizügigkeit durch nicht-konvergente Systeme, bürokratische Nickeligkeiten und Integrationshemmnisse so stark eingeschränkt, dass wir Europäer*innen beim Wettbewerb um die besten Köpfe in unseren Unternehmen massive Nachteile haben. Für eine echte Internationalisierung der Talentmärkte brauchen wir bessere rechtliche Rahmenbedingungen – und eine neue Kultur, die Arbeitsbiografien über die Ländergrenzen unseres Kontinents hinweg als normal erachtet und fördert.

Überbordende Regulierung bedroht unseren Wohlstand und unsere Zukunftsfähigkeit. Wir brauchen keine Nachhilfe von Amts wegen in der Ausgestaltung kooperativer Arbeitsbeziehungen, sondern einen „entrepreneurial new deal“! Leider zeigen die aktuellen Regulierungswellen aus Berlin und Brüssel in die gegenteilige Richtung: Von immer neuen Änderungen im Arbeitsrecht und ausgeweiteten Dokumentationspflichten über die Datenschutzgrundverordnung bis hin zum aktuellen Bürokratie-Großprojekt „Corporate Sustainability Reporting Directive“: Hier soll auf Punkt und Komma gemessen und gezählt werden, was uns Personaler*innen schon lange antreibt – Frauenquoten, Einkommensgerechtigkeit, Minderheitenschutz. Schade nur, wenn wir vor lauter Datendokumentation keine Zeit mehr haben, die Realität zum Guten zu verändern.

Corona-Impfpflicht, Umgang mit der AfD, Migrationspolitik, Geschlechteridentitäten und Israel-Palästina-Konflikt: Die zunehmende weltanschauliche Politisierung und Moralisierung der Gesellschaft kommt auch in den Unternehmen an. Und birgt eine Menge Sprengstoff. Denn Polarisierung in der Belegschaft kann die tägliche Arbeit behindern. Personalmanager*innen müssen hier moderieren und Grundsätze für die partnerschaftliche Zusammenarbeit am Arbeitsplatz entwickeln. Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung darf dabei selbstverständlich nicht eingeschränkt werden. Gleichzeitig muss sehr deutlich werden, dass Pluralismus und Weltoffenheit Grundlage jedes wirtschaftlichen Handelns sind. Ein positiver Purpose kann bei diesem Balanceakt helfen!

Die letzte These gehört wie immer uns Personaler*innen selbst: Nach anstrengenden Jahren, in denen wir Krisen bewältigt, und Transformation gesteuert haben und in denen wir in immer mehr Verantwortung hineingewachsen sind, zeigt HR spürbar ein paar Verschleißerscheinungen. Eine aktuelle Payscale-Studie hat ergeben, dass IT, HR und Kundenberatung die drei Bereiche mit der höchsten Kündigungsbereitschaft von Mitarbeitenden sind. Über 80 Prozent der HR-Führungskräfte sind gemäß dieser Studie Burnout-gefährdet. Das heißt: Wir Personaler*innen müssen jetzt an uns selbst arbeiten, wenn wir das hohe Tempo dauerhaft durchhalten wollen. Achtsamkeit nicht nur für andere, sondern auch für uns, ist dabei genauso ein Thema wie der strategische Umgang mit unseren eigenen Ressourcen und Möglichkeiten. Eine weitere Professionalisierung der HR Operating-Modelle und der gezielte Einsatz von KI können dabei helfen.